Interkulturelles Training

202. Tag, 16. Januar 2012. Andere Länder, andere Sitten, sagt man. Und anderer Humor, sage ich. Es ist vermutlich das Anspruchsvollste und Schwierigste, in einem fremden Land mit den dortigen Bewohnern über die gleichen Dinge lachen zu können. Das weis auch Genentech, die Firma in der Luise arbeitet.. Und um uns Europäer darin zu unterstützen, im grossen und fremden Amerika nicht komplett unter die Räder zu geraten und auch mal lachen zu können, organisiert sie für alle neuankommenden Mitarbeiter und deren Anhänge ein paar Stunden interkulturelles Training mit einer speziell dazu ausgebildeten interkulturellen Trainerin. Wir trafen uns also in einem Sitzungsraum in einem der Genentech Glaspaläste in South San Francisco. Auf die Frage der Trainerin, was mir denn bei der Akklimatisation am meisten Schwierigkeiten bereitet hätte, antwortete ich etwas ausführlich mit einer kleinen Anekdote aus meinem vergangenen Segelkurs:

…..der Kursleiter, Kapitän Don Rayman eröffnete den Kurs mit einer allgemeinen Begrüssung und gratulierte uns selbstbewusst zur Wahl seiner Segelschule. Er gab das Wort weiter an die erste Schülerin Lindsey, welche im Schulungsraum zuvorderst links sass, mit der Bitte, sich kurz vorzustellen und doch ein paar Worte über ihre Person und ihre Ziele zu verlieren. Ich sass zum Glück in der zweithintersten Reihe, so dass ich noch ein wenig Zeit hatte, mich gedanklich vorzubereiten. Als ich endlich dran war stellte ich mich ebenso vor. Wie ich hiess, woher ich kam, was ich so tat und welches meine Ziele waren. Nun mit den Zielen war das aber so eine Sache. Ich meinte, dass ich eigentlich noch gar kein so wirkliches Ziel hätte, sondern einfach mal schauen würde, wohin mich der Wind blasen würde. Pause. Betretenes Schweigen erfüllte den Raum um mich herum. Ich beobachtete den Kursleiter, wie er scheinbar völlig überrascht von meiner Äusserung, aus Höflichkeit zwar, aber gequält zu lächeln versuchte. Ganz im Gegensatz zu mir der ich laut herauslachen musste. Als Einziger offensichtlich. Und noch dazu über meinen eigenen Spruch. Gab es irgendetwas peinlicheres? Ja, das gab es, und es folgte sogleich. Während ich rot anlief, wurde mir schlagartig bewusst, dass diese Runde wohl nicht den selben Humor zu haben schien wie ich. Dabei hatte ich den ad-hoc situativ leicht abgewandelten Spruch vom Wind und vom Segeln gar nicht schlecht gefunden. Der passte doch eigentlich, dachte ich. Aber ein Müssiggänger wie ich, das geht einfach nicht, inmitten all der angehenden Sport-, Regatta- und Weltumseglern mussten sich meine amerikanischen Kameraden wohl gedacht haben. Nicht dass er es einfach nur unumwunden zugeben würde, nein, er schien sich darüber auch noch lustig zu machen, dachten sie vermutlich. Das war ganz einfach zu viel für die aus tiefstem Herzen puritanisch überzeugten Amerikaner.  Dabei war es aber wirklich so. Ich hatte nicht die hochgesteckten Ziele, wie sie meine Mitschüler hatten. Ich wollte einfach nur Segeln lernen. Aus Spass. Und genau da lag das Problem. In Amerika machte man nämlich nicht einfach etwas aus Spass. Da musste alles immer auch einen Sinn haben. Und dieser Sinn wurde immer auch in einer Masseinheit gemessen. Und diese Masseinheit lautete: Dollar, kurz: $. Amerikanische Dollar, um genau zu sein. Ich versuchte jetzt die Situation noch zu retten, indem ich abzulenken versuchte, die Stille kaum aushaltend wirres Zeugs vom Americas Cup, von Alinghi und Bertarelli und Serono schwafelte und meinte, als Schweizer nach dem Kurs vielleicht dort anheuern zu wollen. Aber es machte alles nur noch viel schlimmer. Der Kursleiter erlöste mich dann und gab mir endlich den Gnadenschuss als er meine Tischnachbarin fragte: ‚and you, Chris, what are your goals‘? Endlich konnten wieder alle lachen. Ausser mir. Ich hätte in den Boden versinken wollen vor Scham, lachte aber trotzdem unauffällig mit und tat so, als ob ich von alledem überhaupt nichts bemerkt hätte. Mit mittlerweile glühendem und hochrotem Kopf. Nach kaum 30 Minuten allein unter Amerikanern war es also schon wieder soweit. Ich hatte einmal mehr den Stempel des Swasiländers auf der Stirn. Die Worte von Mister King aus unserem Quartier gingen mir durch den Kopf der einst zu mir sagte: ‚you’re not a stranger, you’re strange‘. Voilà.

Auf jeden Fall wurde ich dann am 2. Tag in ein anderes Team umgeteilt. Frank und seine Freundin Chris, die Chris von vorhin, seien nun meine beiden neuen Segelkameraden auf dem Schiff, meinte der Kursleiter zu mir. Vermutlich sollten mir die beiden etwas unter die Arme greifen und mich ziellos umherdriftenden Swasiländer wieder auf die gerade Bahn leiten. Mit den beiden konnte ich es dann aber gut. Wir hatten viel gelacht. Über unseren Wasserkanister, den wir Bob nannten, und den wir jeweils retten mussten nachdem ihn einer von uns über Bord geworfen hatte und den ad-hoc situativ abgewandelten Spruch gerufen hatte: ‚Bob over board!‘.  Und ich zumindest, hatte auch ein wenig Spass dabei. Das war interkulturelle Praxis für Fortgeschrittene. Ich glaube, den amerikanischen Humor nun endlich begriffen zu haben. Luise meinte noch – Lesson learned – : verrate in Amerika nichts über deine Ziele, bevor du dich nicht mit deinem Personal Intercultural Trainer darüber beraten hast. Und schon gar nicht, wenn Du gar keine Ziele hast.

4 Gedanken zu „Interkulturelles Training

  1. Wieder einmal herzlichst gelacht! Einer der besten Blogs, die ich bisher gelesen habe!

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