Besuch vom Sheriff

Registration Sticker

2012 Registration Sticker

38. Tag, Montag der 6. August 2012. Endlich waren sie gekommen. Die Sticker von der DMV. Vom ‚Department of Motor Vehicles‘. Und es waren die Richtigen, die Grünen nämlich. Warum die Grünen? Das war so:

(3 Wochen zuvor)  ‚Papa, Papa! Schau da draussen! Zwei echte amerikanische Polizei Autos!‘ rief Julian ganz aufgeregt aus seinem Zimmer. Es gab nur wenige Dinge, die in Amerika wirklich echt waren. Aber die beiden Ford Crown Victoria Interceptor in Schwarz-Weiss Bemalung, mit dem goldenen Sheriff Stern auf der Fahrertür, dem blaurot-weissen Leuchtbalken über dem Dach und dem Suchscheinwerfer auf der linken Seite, welche bei uns vor dem Haus standen, waren echt. Darin bestand nicht der geringste Zweifel. Und die beiden über 6 1/2 Fuss langen und fast ebenso breiten, dunkel gekleideten, bewaffneten Herren, die darin sassen waren es auch. Ich schaute zwischen den halb geöffneten Jalousien aus dem Fenster auf die Strasse. In Gedanken ging mir der Film Fugitive durch den Kopf, in dem George Harrison* – alias Mister Kimble – auf der Flucht vor dem FBI im Untergeschoss eines Hauses genau gleich durch – allerdings halb geschlossene – Jalousien guckte. Ich fühlte mich wie im Film. Ich war Mister Kimble. Jetzt wäre es aus, dachte ich. Sollt ich mich nun stellen oder fliehen? Fliehen schien mir zwecklos. Und schliesslich war ich ja unschuldig. Davon war ich überzeugt. Also stellen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, öffnete die Tür, trat ins Freie, meine Hände gut sichtbar, so wie ich es aus den unzähligen Hollywood Streifen gelernt hatte. Da soll noch einer sagen, zuviel Fernsehen wäre schädlich. Ganz im Gegenteil. Es könnte einem vielleicht einmal sogar das Leben retten. Je nach Situation halt, und Fantasie.

Die beiden Herren waren unterdessen längst aus ihren Fahrzeugen ausgestiegen und tigerten um meinen alten Buick herum. Sie musterten ihn ganz genau. Aus den an ihren Schultern befestigten Funkgeräten rauschte irgendein halb verständliches Einsatzenglisch durch den Äther. Keine 20 Minuten war es her, seit ich meine Nummernschilder endlich an die alte Karre drangeschraubt hatte, dachte ich. Ob dies mein Wagen wäre, fragte mich der Grössere der beiden. Ja sagte ich und wollte wissen, ob denn mit dem Auto etwas nicht stimme. Hätten mich die beiden Autoverkäufer vielleicht reingelegt? Nein, antwortete der Sheriff, mit dem Wagen sei alles ok, aber die Vignette auf dem Nummernschild sei abgelaufen. Ich erwiderte, dass ich das wisse und dass ich den Wagen ja erst gerade gekauft hätte und dass mir der Dealer diese 60 Tage gültige temporäre Fahrerlaubnis ausgestellt hätte und dass ich diese doch vorschriftsgemäss an die Rückscheibe geklebt hätte. Ja ja, das sei eigentlich schon so in Ordnung, sagte er. Er meinte aber, dass ihn das trotzdem nicht wirklich interessieren würde. Er würde mich so oder so immer anhalten, wenn ich mit abgelaufener Vignette rumfahren würde, egal welchen Zettel ich wo auch immer an welche Scheibe geklebt hätte. Im 2012 wären die Vignetten grün oder orange. Orange für diejenigen, die bereits bis ins 2013 registriert wären. Und ich hätte Blaue dran. Und Blaue seien im 2012 nicht erlaubt. Ich fragte ihn dann, ob es denn sicherer gewesen wäre, weiterhin ohne Nummernschilder rumzufahren. Ich würde doch nun schon seit fast 2 Wochen ohne Nummernschilder rumfahren und wäre noch nie angehalten worden deswegen. Aber klar, sagte ich weiter, ohne Nummernschilder könne man ja auch nicht sehen, ob die Vignette nun Blau, Grün oder Orange gewesen wäre.  Er schien sich ob der Frage und meinen Ausführungen etwas provoziert gefühlt zu haben und meinte dann kurzangebunden, ich solle jetzt am besten den Wagen einfach da in die Driveway unserers Hauses fahren und dort stehen lassen. Damit wäre die Angelegenheit dann für mich erledigt. Ich spürte, dass der Zeitpunkt gekommen war mit rumlabern aufzuhören und einfach exakt das zu tun, wozu er mich aufgefordert hatte. Also fuhr ich den Wagen in die Driveway und liess ihn da stehen. Es wollte mir nicht aus dem Kopf. Wie konnte es sein, dass nur gerade 20 Minuten, nachdem ich die Schilder montiert hatte bereits ein ganzes Polizeiaufgebot vor der Tür stand? Steckte da womöglich Mister King dahinter? Davon aber mehr in einem späteren Artikel.

Als die Polizeiautos abgezogen waren, schraubte ich die Nummernschilder sicherheitshalber wieder ab und fuhr die restlichen 3 Wochen ohne rum. Und wieder wurde ich kein einziges Mal angehalten.

* der hiess natürlich nicht George Harrison, sondern Harrison Ford. Egal, Hauptsache irgendetwas mit Harrison.