Die Telefonkonferenz

330. Tag, 26. Mai 2013. Es war erst 10 Uhr abends und wir lagen schon alle im Bett. Es war ja aber auch ein anstrengender Tag. Vor allem für mich. Schon früh morgens hatte es angefangen. Kaum waren die Kinder in der Schule dropped off, musste ich bei Schwimmlehrer Justin zum Unterricht antreten. Drill Sergeant Justin wurde er von seinen Freunden liebevoll genannt. Das hatte ich aber erst nach meiner Anmeldung hinten rum erfahren. 300m Freestyle zum Aufwärmen und danach eine Stunde volles Programm, meinte er. Eigentlich war ich ja nach den ersten 300 Metern Aufwärmen bereits fix und fertig. Ich konnte mich aber vor den anderen nicht blamieren, nicht schon wieder den Swasiländer raushängen und machte deshalb gehorsam alles mit. Bis zum Schluss. Kaum aus dem Wasser sollte ich mich schon wieder beeilen. Ich war mit Felix auf dem Golfplatz verabredet. Auf dem ‚Mountain View Municipal Golf Course‘. Zwar konnte ich gar kein Golf spielen, aber das spielte hier keine Rolle, denn Platzreife brauchte man keine. Badeshorts, Flip Flops und eine amerikanische Kreditkarte genügten vollends, um auf dem edlen Grün inmitten der Wüste Löcher in den Rasen schlagen zu dürfen. Schliesslich war ich hier als freier Bürger in einem freien Land. Und die Mexikaner würden’s dann schon wieder richten. Insgesamt standen also 18 Löcher auf dem Programm. Trotz Golf Cart schafften wir aber nicht alle und mussten die letzten paar passen. Die Kinder sollten nämlich bereits wieder von ihrem Extracurriculum Nachmittags Programm abgeholt werden. Danach standen dann noch eine Stunde Klavier spielen, ein paar Knoten üben für die bevorstehende Segelprüfung, ein paar Zeilen Essay für die ‚English Writing Class‘ am nächsten Tag und eine Lektion ISACA Prüfungsvorbereitung auf dem selbst auferlegten Freizeitprogramm. Dazwischen etwas Staubsaugen, Wäsche machen, einkaufen und Abendessen vorbereiten. Während sich Lu um ihre ausgewogene Work Life Balance Sorgen machte, musste ich nun endlich etwas gegen meinen Freizeitstress unternehmen. Wäsche machen, kochen und putzen würden künftig einfach nicht mehr drin liegen, hatte ich beschlossen. Doch nun war endlich Feierabend und ich lag wie gesagt bereits im Bett. Wach, mein Notebook aufgeklappt auf der Decke, das Mobile nebenan auf dem Nachttisch. Es piepste plötzlich. Aufgeschreckt schaute ich sofort nach. Eine SMS von T-Mobile. Sie teilte mir darin mit, dass mein T-Mobile Prepaid Plan morgen fällig würde und ich daher unverzüglich 50 Dollar überweisen müsste, wollte ich weiterhin mit ihrem einzigartigen Service telefonieren. Natürlich wollte ich das und überwies sogleich die geforderten Dollars über das neue T-Mobile Online Portal. Es dauerte keine zwei Minuten, schon klingelte mein Telefon wieder. Und wieder war es T-Mobile. Cheyenne war am Apparat. Sie hätte mich auf gar keinen Fall stören wollen, meinte sie und entschuldigte sich bereits zum Voraus für alle künftigen Unannehmlichkeiten. Das fing ja schon gut an, dachte ich. Es würde ihr aufrichtig und zutiefst leidtun, mich zu dieser späten Stunde noch kontaktieren zu müssen, sagte sie. Aber es würde ihr nichts anderes übrig bleiben. Sie hätte nämlich bemerkt, dass jemand soeben von meiner Kreditkarte 50 Dollar auf mein T-Mobile Prepaid Guthaben überwiesen hätte. Und das wäre merkwürdig, sie müsse diese Transaktion überprüfen. Ich wollte sie beruhigen und meinte, dass ich diese Transaktion gerade vor ein paar Minuten ausgeführt hätte und dass damit alles in Ordnung wäre. Leider konnte ich ihr Misstrauen damit nicht zerstreuen. Sie meinte, sie hätte sich nun gerade meinen Public Record aus dem Internet auf ihrem Bildschirm anzeigen lassen und wolle von mir nun die letzten 4 Ziffern meiner Social Security Id wissen um diese damit gegenzuchecken. Wie bitte? Was für ein Record? Offensichtlich hatte ich einen Public Record. Was auch immer da drin stand. Irgendwie war mir etwas mulmig bei dem Gedanken, dass scheinbar alle ausser mir Einsicht in meinen Public Record hatten. Den Begriff Data Privacy kannten hier bestenfalls Google Anwälte auf Europareise. Nun gut, ich kannte leider weder meine letzten noch meine ersten 4 Ziffern meiner Social Security Id auswendig, was Cheyenne’s Misstrauen nur noch verstärkte. Nachdem ich ihr dann aber auch noch nicht einmal meine 13 stellige Bankkontonummer fehlerfrei aufsagen konnte, gingen bei ihr sämtliche Warnlampen auf Rot. Sie wolle nun unverzüglich mit meinem Bankberater sprechen, sagte sie. Ob ich einverstanden sei, wenn sie ihn nun anrufe und wir zu Dritt eine Telefonkonferenz abhalten würden. Da Cheyenne offensichtlich auch die Telefonnummer meines Bankberaters kannte, liess ich es drauf ankommen und willigte ein. Mittlerweile war es also kurz nach 22:30 Uhr und Cheyenne, die T-Mobile Transaktionsüberprüferin, Ramos, der CitiBank Berater und ich, der Angeklagte hielten eine Telefonkonferenz. Thema: „War ich ein Kreditkartenbetrüger? Und wenn Nein, konnte ich’s beweisen?“. Ich konnte es. Zum Glück. Mithilfe von Ramos, meinem Entlastungszeugen und Lu, welche sich exTelco als meine Anwältin in den komplexen Fall eingeschaltet und bereits den dritten Bundesordner an Beweismaterial ins Schlafzimmer herangeschleppt hatte. Das Schlussplädoyer hielt dann aber wieder Cheyenne, die sich nochmals für alles entschuldigte und meinte, dass solche Überprüfungen doch letztendlich der Sicherheit der geschätzten T-Mobile Kunden dienen würden. Ob sie denn sonst noch etwas für mich tun könne, wollte sie abschliessend wissen. Das Spiel fing an mir zu gefallen, worauf ich bejahte und mich erkundigte, ob ich denn als so geschätzter T-Mobile Prepaid Kunde nicht auch Anrecht auf den Kauf eines verbilligten Mobile Modells hätte. Ich hätte im Prospekt nämlich eines gesehen, welches mir sehr gefiele. Gekonnt gab sie aber zur Antwort, dass sie für solche Fragen nicht zuständig wäre, dass sie einzig und allein dafür zuständig wäre, verdächtige Transaktionen zu prüfen, dass sie mich aber gerne mit einer T-Mobile Kundenberaterin verbinden könne, wenn ich das wolle. Nochmals eine Telefonkonferenz? „Nein Danke“ antwortete ich und wir verabschiedeten uns. Und so blieb mir nichts anderes übrig, als weiterhin mit meinem alten Mobile zu telefonieren. Vermutlich hatte ich aber nun einen neuen Eintrag in meinem Public Record: „…. möchte neues Mobile, schickt ihm ganz viele Werbeprospekte“.

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